Medizin braucht Fortschritt

Interview mit den Chefärzten Prof. Dr. Thomas Knoll (Chefarzt der Urologischen Klinik Sindelfingen) und Prof. Dr. Stefan Rolf Benz (Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-und Kinderchirurgie Böblingen)

Ein zentrales Argument für den Neubau ist, dass die jetzigen Gebäude den heutigen und erst recht den zukünftigen Anforderungen an moderne Medizin nicht mehr gewachsen sind. Welche Anforderungen muss ein Krankenhaus heute und in Zukunft erfüllen?

Prof. Benz: Die Abläufe in Kliniken haben sich in den letzten 20 Jahren erheblich verändert. Das gilt ganz besonders für Bereiche mit vielen geplanten Operationen: Früher waren Patienten oft schon vor der OP viele Tage im Krankenhaus, um zu klären, ob wie und wann sie operiert werden sollen. Heute werden alle diese Fragen vorab in ambulanten Sprechstunden geklärt und der Patient wird erst kurz vor der Operation stationär aufgenommen. Dadurch muss er nicht unnötig über viele Tage in der Klinik bleiben. Gleichzeitig müssen dadurch aber viel mehr Räumlichkeiten für die vorstationäre, d.h. ambulante Betreuung der Patienten zur Verfügung stehen.

Von noch größerer Bedeutung ist aber der steigende Raumbedarf durch den rasanten Fortschritt und die damit verbundene immer stärkere Spezialisierung. Noch vor 15 Jahren war die Chirurgie und die Innere Medizin jeweils ein Fachgebiet mit einem Chefarzt. Heute ist die Chirurgie in drei große Fachgebiete geteilt, die in den nächsten Jahren noch weiter unterteilt werden. Alle diese Fachgebiete werden durch einen verantwortlichen Arzt mit Team vertreten. Sie alle müssen eine hohe Anzahl von Patienten behandeln, um Spezialisten in ihrem Gebiet bleiben und werden zu können. Um das gleiche Erkrankungsspektrum behandeln zu können wie vor 20 Jahren, braucht eine Klinik heute also erheblich mehr Ärzte und Patienten, um eine optimale Qualität zu gewährleisten – und dadurch auch deutlich mehr Raum.

Prof. Knoll: Und auch die technische Ausstattung spielt dabei eine große Rolle: Die Medizintechnik hat sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Moderne OP-Räume sehen heute ganz anders aus als noch vor wenigen Jahren. Wir arbeiten im OP beispielsweise mit einem System zur computergestützten Operation, in der Radiologie sind Geräte wie Magnetresonanztomographen heute gang und gäbe. Und diese Geräte brauchen zum einen mehr Platz, zum andern auch entsprechend technisch ausgerüstete Räume.

Ein weiterer für mich sehr wichtiger Punkt in einem modernen Krankenhaus ist die räumliche Trennung der stationären und ambulanten Versorgung, damit sich beispielsweise die Wege der Liegendpatienten nicht mit denen von ambulanten Patienten oder Besuchern kreuzen. Das ist nicht nur für die Patienten sehr viel angenehmer, auch für uns als Ärzte macht es die Abläufe deutlich einfacher.

Das Flugfeldklinikum bietet die Chance ein Krankenhaus „auf der grünen Wiese“ neu zu planen. Was erwarten Sie als Chefärzte vom Neubau?

Prof. Benz: Wir Chefärzte erwarten vom Neubau, dass durch die optimale Anordnung der Funktionsbereiche und Ambulanzen die Abläufe verlässlicher, effizienter und für den Patienten überschaubarer werden. Dadurch wird sich die Kommunikation zwischen den einzelnen Kliniken und Abteilungen verbessern. Zudem bietet sich die Chancen, die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, Verwaltung und Dokumentation optimal zu nutzen. Dies betrifft aber auch operative Therapieverfahren, die zunehmend um digitale Optionen wie Assistenz- und Expertensysteme erweitert werden. Gerade kostenintensive Großgeräte können in einem gemeinsamen Klinikum von mehreren Disziplinen und damit effizienter genutzt werden.

Prof. Knoll: Genau. Denn natürlich reicht es nicht aus, ein neues Gebäude zu bauen und die teilweise alten Geräte nur umzuziehen. Viele Großgeräte werden hier für den Neubau neu angeschafft werden müssen. Generell erwarte ich, dass das Flugfeldklinikum zukunftssicher geplant wird. Das bedeutet, dass die Planung nicht nur den heutigen Anforderungen entsprechen muss, sondern auch künftigen Entwicklungen Rechnung trägt. Natürlich kann man heute noch nicht alle Entwicklungen der Zukunft absehen, die Klinik muss aber so geplant sein, dass sie "mitwachsen" kann. Außerdem ist und wichtig, dass auch die nicht-medizinischen Bereiche, also beispielsweise Patientenzimmern oder Arbeitsräume für Mitarbeiter so geplant und gebaut werden, dass sie eine hohe Aufenthaltsqualität haben. Da wir in einem immer stärker werdenden Wettbewerb mit anderen Kliniken stehen, sind auch solche Aspekte wichtig, um als Klinikum attraktiv zu sein.

Herr Prof. Benz, Sie sind momentan Chefarzt am Standort Böblingen, Sie, Prof. Knoll in Sindelfingen. Mit dem Neubau werden die zwei bisher getrennten Standorte zusammengelegt. Was verändert sich dadurch für Sie und für die Patienten?

Prof. Knoll: Im Flugfeldklinikum werden alle Disziplinen, die bisher auf die Kliniken Sindelfingen und Böblingen verteilt waren, an einem Standort zusammengelegt. Das hat den großen Vorteil, dass die Ärzte und Fachkräfte aller Fachrichtungen vor Ort sind und Patienten dadurch besser interdisziplinär versorgt werden können – sowohl im operativen Bereich als auch in den konservativen Behandlungsmethoden. Und das ohne dass sie zwischen den Standorten transportiert werden müssen.

Prof. Benz: Richtig. Und das ist sicher nicht nur eine Frage des Komforts, sondern auch der Behandlungsqualität. Ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass die notfallmäßige kardiologische Betreuung mit den Möglichkeiten der Herzkatheterintervention für alle Fachgebiete 24 h am Tag zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass Patienten mit dem Flugfeldklinikum zukünftig im Notfall eine zentrale Anlaufstelle haben. Hier kommt es momentan noch oft zu Missverständnissen, weil Patienten nicht wissen, welches Fachgebiet wo angeboten wird und dann nach einem kurzen Gespräch mit dem Notfallarzt an die Partnerklinik nach Sindelfingen oder Böblingen verwiesen werden müssen.

Wie stehen Ihrer Erfahrung nach die Ärzte und Pflegekräfte in Sindelfingen und Böblingen zu dem Neubauprojekt?

Prof. Benz: Diese Frage ist eindeutig zu beantworten. Alle mir bekannten Ärzte und alle Pflegekräfte, mit denen ich über das Thema Neubau gesprochen habe, unterstützen nicht nur das Projekt, sondern freuen sich sehr auf die Umsetzung und auf die Möglichkeiten und Verbesserungen, die damit verbunden sind.

Prof. Knoll: Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Die allermeisten Mitarbeiter aller Berufsgruppen stehen dem Projekt sehr positiv gegenüber.

In der Bevölkerung werden immer wieder Stimmen laut, die den Standort auf dem Flugfeld kritisieren. Was sagen Sie als Ärzte zu dieser Diskussion?

Prof. Knoll: Die Kritik ist unberechtigt, das Flugfeld ist aus meiner Sicht als Standort für die neue Klinik sehr gut geeignet. Man muss beachten, dass bei der Bewertung eines Standortes für ein Krankenhaus heute ganz andere Kriterien eine Rolle spielen als vor 50 Jahren, als die jetzigen Häuser gebaut wurden. Die Lage auf dem Berg ist heute beispielsweise aufgrund der schlechten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr eher problematisch. Für Patienten, Besucher und Mitarbeiter ohne eigenes Auto ist die Anreise sehr umständlich und aufwändig. Das Flugfeld ist im Gegensatz dazu durch die zentrale und verkehrsgünstige Lage mit Anschluss an die Autobahn und die S-Bahn ideal gelegen.

Prof. Benz: Darüber hinaus dürfte die Sichtbarkeit des Klinikums von der Autobahn aus sicher auch zum Bekanntheitsgrad des Klinikums beitragen. Die Tatsache, dass das Klinikum nicht wie die bisherigen Kliniken im Grünen liegt, halte ich ebenfalls für wenig problematisch, da die Aufenthaltsdauer unter den heutigen Bedingungen sowieso deutlich niedriger liegt. Patienten, die die Außenanlagen ausgiebig nutzen könnten, befinden sich heute meist bereits zu Hause oder in der Rehabehandlung.

Im Herbst diesen Jahres werden die Planer mit ihrer Arbeit richtig loslegen, im nächsten Frühjahr soll es erste Gebäudeentwürfe geben. Wie werden Sie und die anderen Mitarbeiter in diesen Planungsprozess einbezogen?

Prof Knoll: Wir als Ärzte, aber auch die Mitarbeiter in der Pflege und den anderen Bereichen, werden ganz ausgezeichnet in den Planungsprozess eingebunden. Als Mitglied des Kernteams war ich bei allen Sitzungen anwesend und involviert, bei denen die bereichsübergreifenden Fragen besprochen werden. Bei den Sitzungen, bei denen es um spezielle Kliniken oder Funktionsbereiche ging, waren dann Mitarbeiter aller Bereiche gefragt. Beispielsweise wurde das Raum- und Funktionsprogramm eng mit uns abgestimmt, um gemeinsam zu entwickeln, welche Räume und Flächen für die Patientenversorgung im neuen Klinikum im Detail benötigt werden.

Prof. Benz: Dem kann ich nur zustimmen. Bereits diese erste Phase, in der die Anforderungen der einzelnen Fachgebiete an den Neubau gesammelt und damit ein konkretes Anforderungsprofil für die Architekten erstellt wurde, hat gezeigt, dass die zukünftigen Nutzer des Klinikums wichtige Impulse geben können und dass diese von den Planer als hochrelevant eingeschätzt werden. Die bisherige Einbeziehung der ärztlichen Mitarbeiter ist damit aus meiner Sicht exzellent. Nach diesen Erfahrungen bin ich daher optimistisch, dass diese gute Zusammenarbeit sich fortsetzt, wenn es um die konkrete Planung von Räumlichkeiten, Prozessen und Ausstattung geht.